Montag, 5. September 2011

Karwendelmarsch 2011 - Die Legende (und ich) lebt!


(Fotos von hier um einen Eindruck zu haben, auch cooler Bericht. Zwei andere gute Berichte: hier und der hier von einem Teamkollegen, der leider nicht mehr ohne Hilfe ins Ziel kam)

Heute regnet es den ganzen Tag, fast wie am 27. August, nur ganz so kalt ist es nicht...
Damals stand ich um drei Uhr früh auf, nach dem ich sowieso fast nichts schlafen konnte (Spät aber doch kam die "Vorfreude"). Gepackt war schon alles am Vortag: zwei Rucksäcke, einer für den Lauf und einer fürs Ziel. Also musste ich mich nur nochschnell munter duschen, gut frühstücken und dann ins Taxi zum Bahnhof steigen. Und natürlich nicht vergessen brav Sonnencreme zu benutzen, obwohl selbst der größte Optimist bei den Wettervorhersagen wusste: das konnte man sich heute sparen.


Gepäckabgabe
Am Bahnhof gab es echt noch ein zwei motivierte Gesichter zu sehen, die auch mit dem "Shuttlebus" nach Scharnitz fuhren (04:25). Nur Wanderer dachte ich mir im vollen Bus, wie ich Stunden später merkte, war doch auch ein Läufer dabei. Pünktlich bei der Ankunft gab es den ersten Vorgeschmack: es begann zu regnen. Hier wunderte ich mich schon ob ich mit leichten Handschuhen und Haube nicht doch übertrieben hatte; Viele waren in Short und Singlet vor Ort. Traditionsgemäß schaffte ich es wieder fast den Start zu
verpassen, ich musste ja noch meinen zweit Rucksack abgeben (der wurde ins Ziel gebracht). Aber um Punkt sechs war ich an den Wanderern vorbei im Läuferfeld und wir liefen. Ganz komisches Gefühl, auf ein mal gings los, psychisch war ich noch am Start.
Karwendeltal

Die ersten 8 km waren Fahrweg, genug Zeit doch noch munter zu werden und sein Tempo zu finden. Momentan war es noch ein Wechsel zwischen mit und ohne Überjacke. Es regnete nur teilweise. Nach ca. 9km gab es dann die erste Versorgungstation, die Larchetalm. Nach einem Schluck Wasser und 1-2 NussHonigKeksen gings weiter. Mir gings blendend, ich war richtig geil auf die weitere Strecke. Ab und zu lief ich mit anderen im Tempo und machte kurz small talk, alles war sehr geschmeidig. Auch am ersten richtigen Anstieg noch.
Larchetalm

Der Weg wurde schmaler, die Kulisse war trotz den tief hängenden Wolken brillant, ich muss sie mir unbedingt noch einmal bei klarer Sicht anschauen. Wir hatten Ostwind(Sturm), und beim Karwendelhaus wurde das erste mal das volle Ausmaß des heutigen Genusses ersichtlich. Innerhalb von Minuten wurde es am Grad unter die 0°C, der Wind war eiskalt, und ich war heilfroh um alles was ich zum anziehen dabei hatte. Ein bisschen zu lang erlabte ich mich bei Tee und Bananen (es gab auch Suppe Brote usw... siehe Menüplan). Mir fehlte einfach die Erfahrung, man muss bei so einem Wetter natürlich so schnell wie möglich weiter,
vor Karwendelhaus
was ich dann auch relativ rasch realisierte. Da hinter mir die Bergrettung schon die Ersten Ausfälle in Empfang nahm packte ich zur Sicherheit noch eine Rettungsdecke ein. So schnell wie ich an allem zu zweifeln begann, war auch wieder ein dicker Grinser in meinem Gesicht. Es folgten auf einem wunderschönen Trail bergab bis zum Kleinen Ahornboden sehr schöne Kilometer. Es war ein wenig windgeschützt, und mir wurde wieder warm. Bergab überholte ich dann den ein oder anderen, es machte wirklich Spaß. Bei ca. km 24 gabs dann wieder Banane und Tee (mein klarer Favorit heute). Viel trinken musste ich ja nicht, ich hatte ja etwas dabei, und nukelte immer zu, den auch bei diesem Wetter kann man dehydrieren. Hier fiel mir schon zum zweiten mal eine "einsame" Läuferin in farblich zu meiner abgestimmter hellblauer Jacke auf. Ab dem Anstieg zur Falkenhütte sollten wir dann das härteste Stück zusammen bestehen. Wir waren zwar nicht all zu schnell, aber sämtliche Zeitziele waren absolut nichtig auf der Strecke. Ich wusste hier schon es würde großartig sein bei diesen Bedingungen ins Ziel zu kommen, und noch wichtiger, ich wusste, dass ich es schaffen werde. Viel Optimismus, beklagte doch eine Läuferin bei den Streckenposten schon vor dem zweiten Anstieg ihre Hände nicht mehr zu spüren. Ich liebte meine Handschuhe in diesem Moment. Vor der Falkenhütte gab es dann das erste richtige "Gehstück", man hätte es schon auch laufen können, aber ein schneller Schritt ist auf sehr steilen Steigen wohl effizienter. Wie gesagt ich hatte ja Null Erfahrung bei so etwas, daher hielt ich mich ja an die Dame in hellblau.
Weg zum kl. Ahornboden
Auf der Falkenhütte gabs wieder leckere Stärkung (ehrlich, der gute Geschmack war mir in dem Moment vollkommen wurscht). Körperlich war ich ziemlich gut dabei, mental sowieso, fiel mir auf dass die Hälfte ja schon vorbei war!! Also gings auf zur Eng, auf einem auch bei trockenen Bedingungen sehr anspruchsvollen Steig, mittlerweile gewitterte es konstant. Auch hier muss der Ausblick atemberaubend sein, wenn man etwas sieht. Teils rutschend teils hüpfend gings hinunter, und ich genoss es trotz allem, Wanderer in Regenponchos die sich wohl jetzt erst aus den Hütten gezwungen haben klatschten jedes mal wenn wir vorbei kamen, mir war klar, dass hier nicht jeder mit macht, und auch nicht mit machen sollte. Die Eng war das Ziel für 35 km Wanderer, und wie ich später erfuhr, auch viele andere, mehr dazu gleich.
hinauf zur Falkenhütte
Mir war schon vorher bewusst, dass die Höhenmeter zum Gramaisattel auf knapp 2000m das Kriterium sind. Bis zur Binsalm plauderte ich noch davon, wie gut es mir noch ging. Doch als die Luft dann zerriss und über uns das Gewitter hinunterfegte war er da, der Kampf. Es ging richtig steil zig zag den Berg hinauf, erst schüttete es, dann raupelte es, dann begann es zum schneien. Nur mehr gehen war hier möglich, der Wille noch da, aber auf ein Minimum hinuntergefahren. Zum Glück war ich nicht alleine. Mir war richtig richtig kalt. Nur nicht stehen bleiben, immer weiter. Und das war gut so. Hinterm Sattel standen Bergretter und sagten uns, was ich schon erträumte: ab jetzt gehts bergab, nur mehr ca 13-14km und "schon" geschafft. Erstmals kurz unterm Sattel mit Tee aufwärmen dachte ich, eine schlechte Idee. Die bessere Entscheidung wäre gewesen direkt weiter hinunter ins Tal. Mir wurde natürlich nicht wärmer wie erhofft, ich kühlte mehr aus. Aber ich wollte nicht von unterm Dach wieder in den Regen, jetzt würde ich es besser machen. Also nach 15 verlorenen Minuten gings dann doch weiter, mit einer Rettungsdecke um mich gewickelt, unter der Jacke.
auf dem Weg zur Eng
hinterm Gramaisattel
Und no na net wurde mir "wärmer". Es ging bergab!!! Jetzt begriff ich meine Chance, haute mir das Adrenalin um die Ohren und legte los. Ich weiß nicht wie schnell ich tatsächlich war, aber mir kam es unglaublich flott vor. Das bezeugten auch die anderen wenigen Läufer die ich allesamt wegfegte. Ich hatte es scheinbar tatsächlich geschafft bei 52 km zu viel Energie aufzusparen. Meine nette Begleitung lies ich dabei leider schnell zurück, gut wie sich später zeigte. Sie brauchte noch fast eine Stunde mehr für dieses Schlussstück. Die zwei verbleibenden Versorgungstationen wurden überflogen, ich wusste ich schaffte es, und ich wusste ich lief unglaublich schnell. Ein überwältigendes Gefühl. Das Hirn nur mehr bombardiert von Hormonen und nur mehr das Ziel vor Augen. Die letzten km waren Forstweg, ich war also in der Zivilisation!! Ich überholte einen Mann um die 65 Jahre, sprach ihm kurz den allergrößten Respekt zu aber dann gabs nur mehr vorwärts. Die meisten Teilnehmer sind wesentlich älter, das beste Alter für diese Rennen kommt erst ab 30+ (nicht ein mal 10% der Läufer waren unter 30).
Häuser, Straßen, ich war in Pertisau. Halb weinend, halb lachend lief ich den letzten Kilometer durch den Ort, die wenigen Leute die bei dem Sauwetter draußen waren jubelden, außer mit weit und breit keiner, also meinten sie wohl mich... Ich lief mitten auf der Straße, Autos mussten warten, ich sah das Ziel. Ich hatte es geschafft : )
Ich im Ziel  (leider einziges Foto)
Mir wurde noch eine Wärmedecke umgelegt und ich ging ins warme Zelt. Es war herrlich. Keiner interessierte sich für Zeiten, ob die Spitze oder die eher langsameren (ich) freuten sich alle zusammen. Und es gab alkoholfreies Weißbier!! Zum Glück bekam ich gleich meinen Rucksack mit trockener Kleidung. (Trotzdem klapperten mir die Zähne, anders als erwartet wurde ich am nächsten Tag aber keineswegs krank ^^) Dann noch schnell ein Foto mit anderen aus meinem Laufteam (alle um Welten besser, aber auch erfahrener) und danach warteten eh schon meine zwei braven Kollegen mit dem Auto auf mich um mich zum nächsten Riesenschnitzel zu befördern.
Sportalpen Trail Running Team

Wie ich später erfuhr wurde der Marsch abgebrochen viele schon vorher aus dem Rennen genommen, Ziel war für alle die nach 14:00 bei der Eng waren auch dort. Also fast alle Wanderer und die langsameren Läufer, die Mischung aus Gewitter, Minusgraden und Schnee machten den letzten Anstieg zu gefährlich (siehe Zugspitzlauf 2008).
Tja was soll ich sagen, ein tolles Erlebnis. Mir fehlte leider bisschen die Erfahrung, ich hätte flotter unterwegs sein sollen. Vorteil: ich hatte noch Kräfte, konnte noch bis in die Nacht einige Bier trinken und war auch die nächsten Tage fit (wobei eine gewissen geistige und körperliche Müdigkeit anhielt). Einzig ein Knie meckerte ein bisschen, aber auch da ist nichts mehr zu merken. Seltsam, noch vor kurzen hielt ich den Karwendellauf für wahrscheinlich nicht machbar. Und jetzt danach? Alles ist möglich! Ich will mehr :)

2 Kommentare:

  1. Ich bewundere deine Haerte und Willenskraft, besonders weil du kein "alter Hase" bist und bei diesen Bedingungen, Mann echt mulmig!
    GRATULATION!

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  2. jawoi in tiroi!
    Ich trainiere ja schon beinhart fuer den Odenwald-Marsch, eine Ueberschreitung des Eichelberges (524,9 m ü. NN) in nur 2 Etappen.
    Hau rein, stay alive.

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